Im Ersten Weltkrieg fiel der österreichisch-ungarischen Armee früh die Hauptlast des Kampfes gegen Rußland zu. Die Ostfront blieb lange durch den Bewegungskrieg und die große Zahl an Kriegsgefangenen charakterisiert. Bis zum Waffenstillstand im Dezember 1917 gerieten insgesamt 2.4 Millionen Soldaten als Gefangene in russische Hand, davon allein 2.1 Millionen Angehörige der k.u.k-Armee. Weit mehr als an der Westfront zeigte die Gefangenschaft im Osten ein neuartiges Phänomen: lange Dauer und große Masse. Den Umgang damit mußten die betroffenen Mächte erst lernen: als Heimatstaat mit vielen Landsleuten in der Hand des Feindes und als Gewahrsamsmacht der gegenerischen Gefangenen. Rußland, das sich in einer tiefen Systemkrise befand, weist darüber hinaus in der Gefangenenbehandlung signifikante Unterschiede zu allen anderen Gewahrsamsmächten auf. Die Bedingungen für Gefangene im Zarenreich waren von weiten Entfernungen, rauhem Klima und schweren Organisationsmängeln in der Etappe geprägt, was eine hohe Sterberate zur Folge hatte. In späteren Kriegsjahren führten die Kontrollen neutraler Schwesterndelegationen zu einer Besserung der Situation. Ein weiterer Wandel trat ein, als der russische Staat die Nützlichkeit der Kriegsgefangenen als Arbeitskräfte – oft in unwirtlichen Gebieten – entdeckte. Seit 1916 versuchte Rußland dann, Gefangene gleichsam für Zwecke der Entente umzudrehen. Je größer die Kriegsmüdigkeit im eigenen Hinterland und je leistungsschwächer das eigene Kriegspotential wurde, desto mehr verschärfte sich die Nationalitätenpolitik gegenüber den Gefangenen. Als im Frühjahr 1918 die Mittelmächte das Gebiet zwischen Baltikum und Ukraine besetzten endete für hunderttausende Mittelmächte Angehörigen die Gefangenenschaft.